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Mareike Fallwickl|Die Wut, die bleibt  

Rowohlt
373 Seiten
22 Euro
ISBN 978-3-498-00296-1

von Dana Lissmann

 

»Haben wir kein Salz?« – Mareike Fallwickels Roman Die Wut, die bleibt beginnt mit einem banalen Satz in einer alltäglichen Szene, dem familiären Abendbrot, – und endet damit, dass sich Mutter Helene ruhigen Schrittes vom Balkon wirft. Ein starker, erschütternder Auftakt, der nicht nur das Leben von Helenes Familie, besonders ihrer Tochter Lola und ihrer Freundin Sarah, aus den Fugen hebt, sondern bereits zu Beginn das heteronormativ-patriarchale Weltbild ihrer Leser*innen sprengt.  

In den darauffolgenden Kapiteln ringen Lola und Sarah in abwechselnder Erzählperspektive damit, ihre Trauer zu verarbeiten und Helenes Suizid zu begreifen: Sarah springt – motiviert von Schuldgefühlen und Fürsorge – als Mutterersatz für die Kinder ein. Sie wechselt von der Rolle der erfolgreichen, kinderlosen Autorin in die der Hausfrau und Mutter. Dabei spürt sie dem Los ihrer verstorbenen Freundin nach, deren Träume nach Selbstverwirklichung an der Realität zermürbender Care-Arbeit zerbrachen. Lola hingegen versucht, die Entscheidung ihrer Mutter physisch nachzuempfinden, indem sie ihre Wut zuerst gegen ihren eigenen Körper richtet. Sie verletzt sich und versucht, Helenes Fall beim Skateboardfahren nachzuahmen – bis ihr weiblicher Freundeskreis sie wortwörtlich auffängt. Nachdem sie und ihre Freundin Sunny im Park von Jungs angegriffen werden, radikalisieren sich die Mädchen: Was als Selbstverteidigungskurs beginnt, transformiert sich in ein neues Körper- und Weiblichkeitsverständnis – und endet in Rachefeldzügen gegen Triebtäter. Durchzogen werden die beiden Erzählstränge währenddessen von Wut. Hilflose, selbstzerstörerische Wut auf sich selbst, Helene und die gesellschaftlichen Zwänge. Eine Wut, die die Figuren antreibt und sich mit ihnen wandelt: Sie richten sie nach außen, verbünden sich und lehnen sich gegen ihre sozialen Rollen auf.

Mareike Fallwickl holt dabei ihre Leser*innen aus dem Alltag ab und bricht diesen auf: Ungeschönt und eindringlich schreibt sie über die Schattenseiten des Mutterseins, der Fürsorgearbeit und der (un-)sichtbaren Gewalt gegen Frauen. Sie hinterfragt alltägliche Selbstverständlichkeiten, thematisiert das Los der Mütter während der Lockdowns und provoziert, indem sie patriarchale Strukturen zerschlägt. Nimmt der*die Lesende die männliche Gewalt und Machtausübung gegen Lola, Sarah und Helene schweigend als Norm hin, rüttelt Fallwickl den Lesefluss auf, wenn in ihrer Welt Mädchen plötzlich Männern gezielt auflauern und sie zusammenschlagen. Die Wut, die bleibt entpuppt sich dabei nicht nur als kathartisch-provokative Projektion von Rachegelüsten, sondern als ein literarisches Einfordern nach mehr Raum für Frauen – ihren Geschichten, ihren Rechten und Grenzen – in der Literatur selbst, in unserem Weltbild und in unserem Alltag.

Über die Autorin:

Mareike Fallwickl (*1983 in Hallein) ist österreichische Prosaautorin, Bloggerin und Kolumnistin. Fallwickls Arbeiten rücken weibliche Erzählstimmen und feministische Themen in den Fokus. Nachdem bereits ihr zweiter Roman Dunkelgrün fast schwarz auf der ORF-Bestenliste und der Longlist des Österreichischen Buchpreises 2018 gelistet wurde, schrieb sie mit Die Wut, die bleibt 2022 einen Bestsellerroman. Dieser war auf der Shortlist des BücherFrauen-Literaturpreises 2023. Im gleichen Jahr wurde er als Theaterstück adaptiert und im August 2023 bei den Salzburger Festspielen zum ersten Mal aufgeführt. Ihr neuster Roman Und alle so still erschien im April 2024.


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